“Bilder, die für weitere Bilder stehen.” Ein Gespräch mit Hans Op de Beeck
Ferdinand Dupuis-Panther | Belgieninfo.net, 16 September 2012
In Tokyo scheint der in Flandern geborene Künstler ebenso zuhause zu sein wie in Buenos Aires oder Lille, wo im Rahmen von Lille3000 eine Panoramainstallation einer Schneelandschaft mit einem Ausmaß von 300 qm zu sehen ist. Auch am diesjährigen Kunstfestival Beaufort 04 war Hans Op de Beek beteiligt und bespielte das Munitionsdepot Bommenvrij in Nieuwpoort. Nun gibt er sich auch die Ehre, im Kunstverein Hannover seine Arbeiten aus den letzten Jahren zu präsentieren.
Dabei handelt es sich bei dieser sehr sehenswerten Schau mit ihren überraschenden, zumeist nächtlichen Installationen um die erste umfassende, in Deutschland präsentierte Einzelausstellung des nun in Anderlecht (Brüssel) beheimateten Hans Op de Beek.
Anlässlich der Eröffnung der Ausstellung im Kunstverein Hannover traf ich mich mit Hans Op de Beeck, um ihn zu seinem künstlerischen Schaffen zu befragen. Um es vorwegzunehmen: In allen Arbeiten, ob Location (7) oder House (2) oder Table (1), stellt sich Op de Beek der Frage nach Fiktion und Realität. Dabei sind seine Orte und Inszenierungen nicht zu identifizieren. Sie können existieren, müssen es aber nicht. Im Kern existieren sie nur als Fiktion und zugleich wäre es plausibel, dass sie existieren.
Ferdinand Dupuis-Panther: Inwieweit kann man Ihre Kunst als „typisch belgisch“ bezeichnen?
Hans Op de Beeck: „Ob man es mag oder nicht, der eigene Hintergrund, die eigene Biografie, spiegelt sich auch in dem wider, was man tut. Ich bin überzeugt davon, dass das soziale Umfeld einen ganz entscheidenden Einfluss darauf hat, was ein Künstler schafft. Unser Land, Belgien, ist so eine kleine Nation: Buenos Aires hat genauso viele Einwohner wie Belgien ! Wenn auch Belgien ein kleines Land ist, so wird es doch durch verschiedene Nationalitäten, die im Land leben, beeinflusst. So haben wir eine Art Eklektizismus entwickelt. Dies betrifft unseren Geschmack, unsere Kultur, vor allem unsere Esskultur – französisch, flämisch und ein wenig deutsch, Die belgische Identität ist gewiss eine bunte Mischung. Ich denke, die Form einer eklektizistischen Ästhetik macht auch Teil meines künstlerischen Schaffens aus. Mein Werk ist eine Mischung aus verschiedenen ästhetischen Spielarten. Ich liebe es, mit unterschiedlichen Formen der Ästhetik meinen Spaß zu haben. Durch meinen eigenwilligen Eklektizismus schaffe ich zugleich Formen der Verfremdung. Ich würde meine Arbeiten nicht als surreal im Sinne von Magritte bezeichnen, aber es gibt in meinen Werken Ansätze des Surrealen im Umgang mit dem Gewöhnlichen und dem Außergewöhnlichen. Nur durch die unerwartete Einfügung von „surrealen Elementen“ gab Magritte seinen Arbeiten eine besondere Wendung. Beispielsweise malte Magritte einen Mann mit steifem Hut, der einen Apfel im Gesicht hat. Einen ähnlichen Umgang mit Motiven pflege ich auch, sodass man insoweit von meiner Nähe zu Magritte sprechen könnte. Ich greife auch stets ganz „normale Dinge“ als Motive auf, denen jedoch etwas Unlogisches innewohnt. Ich würde dennoch meine Werke nicht als Teil des belgischen Surrealismus bezeichnen – dafür gibt es eine spezifische Definition -, aber ich suche stets nach etwas Fremdem, Merkwürdigem und
Geheimnisvollem.
Ferdinand Dupuis-Panther: Inwieweit spielt auch Symbolismus im Sinne von Fernand Khnopff in Ihren Arbeiten eine Rolle?
Hans Op de Beeck: Ich bin ganz gewiss, dass ich einen Draht zu einigen Arbeiten von Khnopff habe und von Spilliaert. Ich bin aber zugleich gegenüber Symbolen eher vorsichtig. Ein Symbol ist wie eine leere Schachtel. Ich könnte sagen, mein Schaffen hat etwas mit Liebe zu tun. Liebe ist ein derartig breit gefächerter Begriff und so ist auch ein Symbol in Verbindung mit einem Bild sehr breit gefächert. Ich bevorzuge für meine Arbeiten eher den Begriff Metapher. Das bedeutet, es handelt sich um ein Bild, das für ein weiteres Bild steht. Aber es gibt auf der anderen Seite tatsächlich einen Bezug zu den Arbeiten der beiden erwähnten belgischen Symbolisten: die Stille, Schweigsamkeit, Lautlosigkeit und mentale Gelassenheit, die beide belgischen Künstler in ganz verschiedener Art auf die Leinwand bannten. Das ist etwas, was ich mag. Das kann man heute auch bei einigen Filmemachern wie David Lynch entdecken. Es geht mir um das Unlogische. Ja ich mag außerdem das Mysteriöse, ich mag das Geheimnisvolle, ich mag die verborgenen Dinge.
Ferdinand Dupuis-Panther: Wie entstand eigentlich Ihr „skulptural“ zu bezeichnendes Schaffen.
Hans Op de Beeck: Ich bin ursprünglich in der Malerei beheimatet gewesen. Doch das befriedigte mich irgendwann nicht mehr. Malerei in der Zweidimensionalität schien mir zu sehr meine Möglichkeiten zu beschneiden. Skulptur hat hingegen mit dem eigenen Umgang mit der Räumlichkeit zu tun und diesen Raumbezug versuche ich zudem, in meinen Filmarbeiten zu vermitteln.
Ferdinand Dupuis-Panther: Wie entwickeln Sie denn bei ihren dreidimensionalen Installationen die Größe und das Maß? Übergroß ist Ihre Arbeit „Table (1)“ - eine verlassene Festtags- oder Leichenschmaustafel -, lebensgroß ist Ihr begehbares Studio mit dem Blick auf einen sprudelnden Springbrunnen und eher modellhaft ihre erste dreidimensionale Arbeit von 1998, die eine leere Kreuzung mit Ampelanlagen mitten in der Nacht zeigt.
Hans Op de Beeck: Das Maß hat stets damit zu tun, welche Effekte ich erzielen will. Für ein japanisches Museum habe ich ein Schnellrestaurant mit Ledersesseln und typischen Restaurantesstischen gebaut. Dieses Restaurant überbrückt eine mehrspurige Autobahn. Zunächst schuf ich das Restaurant und dann überlegte ich, dass die Autobahn ziemlich groß sein muss, um zum Restaurant zu passen. Die Arbeit wurde im Lauf der Zeit größer und größer. Ich begann mit einer nur sechs Meter langen Autobahn mit übertriebener Perspektive. Schließlich entschied ich mich für eine 20 Meter lange Autobahn und dann hatte ich den Eindruck, es passt. Für das in Lille zu sehende Panorama einer Schneelandschaft gilt Ähnliches: Man befindet sich in einem kleinen Observatorium und ist von einer scheinbar unbegrenzten Winterlandschaft umgeben. Was zu sehen ist, ist eine öde, leere Landschaft von schließlich 300 qm. Hingegen schuf ich für meine Xmas-Wohnlandschaft eine Größe, die nicht zu einer Modelleisenbahn passt, aber auch nicht lebensgroß ist, sondern eine sehr merkwürdige Zwischenform besitzt, bei deren Anblick man sich vorstellen kann, dass kleine Leute hier ihr Weihnachtsfest feiern. Diese Installation wirkt einerseits niedlich, aber sie ist aufgrund der glänzenden dunklen Farbsetzung auch ein wenig geheimnisvoll, finde ich.